Fortbildung • Entscheidungsfindung

Die 4-Felder-Tafel – Entscheidungen sichtbar machen
Beispiel Intensivmedizin: Leberbiopsie beim schwerkranken Kind

Ein einfaches, starkes Werkzeug – so nutzt du es in 60 Sekunden: Auf ein Blatt ein großes Kreuz, darüber die Frage. Spalten: Yes / No. Zeilen: Best outcome / Worst outcome. Vier Felder – volle Klarheit.

Einleitung

Auf der Intensivstation gibt es Momente, in denen wir mitten in einem Sturm aus Daten, Dringlichkeit und Emotionen stehen. Sollten wir eine invasive Diagnostik wagen – oder nicht? Die 4-Felder-Tafel ist ein Werkzeug, das uns hilft, Nutzen und Risiko greifbar zu machen – für uns selbst, für das Team und für die Angehörigen.

Beispiel aus der Intensivmedizin: Leberbiopsie

Ein Kind liegt kritisch krank auf der Intensivstation mit einer schweren Leberfunktionsstörung.
Die Frage: Brauchen wir eine Leberbiopsie, um die Diagnose und Therapie zu steuern?

Potentieller Nutzen:
Klare Diagnose (z. B. akute Hepatitis vs. Stoffwechselerkrankung).
Möglichkeit, Therapie gezielt zu steuern oder Transplantationsindikation zu klären.

Risiko:
Sehr hohes Blutungsrisiko aufgrund Koagulopathie.
Potentiell lebensbedrohliche Komplikationen.

Einordnung auf der 4-Felder-Tafel:
Der Nutzen könnte hoch sein (entscheidende Therapiefrage).
Aber das Risiko ist ebenfalls hoch.
➡️ Wir befinden uns im Quadranten „hoher Nutzen / hohes Risiko“.

Beispiel: Leberbiopsie?

YES (Biopsie) NO (keine Biopsie)
Best outcome Klare Diagnose; gezielte Therapie; ggf. Tx-Indikationsklärung; Kurskorrektur früh möglich. Risiko vermieden; klinische Stabilisierung; Diagnose ergibt sich anderweitig (Labor/Bildgebung/Verlauf); kein invasiver Schaden.
Worst outcome Schwere Blutung / DIC; lebensbedrohliche Komplikation bis hin zum Tod trotz maximaler Therapie. Entscheidende Diagnose verpasst; Therapie ins Leere; vermeidbarer Schaden/Exitus durch nicht erkannte, behandelbare Ursache.

Ex ante vs. ex post

Hier liegt die eigentliche Stärke: Die 4-Felder-Tafel zwingt uns, ex ante – also im Voraus, mit dem Wissen und den Daten, die wir jetzt haben – eine Entscheidung transparent zu dokumentieren.
Denn ex post, wenn eine Komplikation wie eine Leberblutung eingetreten ist, sehen wir nur das Schicksal dieses einen Kindes. Dann wirkt es manchmal, als sei die Entscheidung „falsch“ gewesen.
Die Wahrheit ist: Eine Entscheidung ist dann gut, wenn sie ex ante klug, nachvollziehbar und dokumentiert getroffen wurde – selbst wenn das Ergebnis unerwünscht ist.
So können wir als Team und gemeinsam mit den Eltern auch im Rückblick sagen:
👉 „Wir haben die Risiken und Chancen klar benannt, gemeinsam abgewogen und dokumentiert. Wir haben die bestmögliche Entscheidung getroffen – im Wissen, das wir zu diesem Zeitpunkt hatten.“

Fortbildungsnutzen

In unserem Alltag hat sich die 4-Felder-Tafel als starkes Bild erwiesen. Kolleg:innen berichteten:
- Entscheidungen lassen sich leichter strukturieren.
- Man kann eine Entscheidung besser erklären – auch Angehörigen.
- Und man kann die Entscheidung gemeinsam tragen, weil der Prozess sichtbar gemacht wurde.

Fazit

Die 4-Felder-Tafel zwingt uns nicht in ein Ja/Nein, sondern öffnet den Raum für eine ehrliche Abwägung.
Gerade in der Intensivmedizin, wo Entscheidungen unter Druck fallen, ist sie ein stiller Kompass:
- Wo ist die Entscheidung klar?
- Wo müssen wir bewusst ringen?
Und: Sie ist ein Schutzschild gegen den lähmenden Blick zurück. Denn Weisheit entsteht dort, wo wir Entscheidungen ex ante dokumentieren – um ex post mit ihnen leben zu können.

Leere Vorlage (zum Ausfüllen)

Fragestellung: …?

|                | YES | NO |
|----------------|-----|----|
| Best outcome   | …   | …  |
| Worst outcome  | …   | …  |

Ex ante Begründung (Stichpunkte):
- …
- …

Interdisziplinär: Intensiv ☐ Hepatologie ☐ Chirurgie ☐ Tx-Zentrum ☐ …
Elterngespräch dokumentiert: Ja ☐  Nein ☐
Entscheidung: YES ☐  NO ☐   Plan B: …